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06.08.2013

Rechte und Pflichten der Kurfürsten

UNESCO nahm die in Stuttgart aufbewahrte Goldene Bulle von 1357 in das Weltkulturerbe auf

Die Organisation für Erziehung, Wissenschaft und Kultur der Vereinten Nationen UNESCO hat die Goldene Bulle in die Liste des UNESCO-Weltdokumentenerbes aufgenommen. Ein besonders gut erhaltenes Exemplar von 1356 von den insgesamt sieben noch heute existierenden Ausfertigungen wird im Landesarchiv Baden-Württemberg, Abteilung Hauptstaatsarchiv Stuttgart, aufbewahrt. Damit hat erstmals ein Dokument aus diesem Archiv den "Adel" des Weltkulturerbes erhalten. Das handgeschriebene und als Buch gebundene Dokument über die Regeln zur Kaiserwahl ist für Münzsammler und Münzforscher wichtig, weil es Bestimmungen über das Münzwesen und den Bergbau in der Mitte des 14. Jahrhunderts enthält. Bis zum Ende des Heiligen Römischen Reichs im Jahr 1806 war das Dokument dessen wichtigste Verfassungsurkunde. Der Name des Dokuments bezieht sich auf ein aus gestanztem Goldblech bestehendes Siegel, die "aurea bulla", auf dem der thronende Kaiser Karl IV. dargestellt ist, der auch König von Böhmen und Markgraf von Brandenburg war.

Die im Januar sowie im Dezember 1356 auf den Reichstagen in Nürnberg beziehungsweise Metz verabschiedete Goldene Bulle regelte die Wahl des deutschen Königs, später des römisch-deutschen Kaisers durch die geistlichen und weltlichen Kurfürsten und beschrieb deren Rechte und Pflichten. Der Wahlmännerklub bestand aus drei geistlichen Kurfürsten, und zwar den Erzbischöfen von Mainz, Trier und Köln, und ihren vier weltlichen Kollegen, nämlich dem Pfalzgrafen bei Rhein, dem Herzog von Sachsen, dem Markgrafen von Brandenburg und dem König von Böhmen. Auf vielen Münzen und Medaillen sind die von den Kurfürsten ausgeübten Zeremonialämter durch Symbole versinnbildlicht. So findet man auf kursächsischen Geldstücken die gekreuzten Schwerter, die für das Amt des Erzmarschalls stehen, und auf brandenburgischen Münzen zeigt das Zepter, dass der Kurfürst von Brandenburg das Amt eines Erzkämmerers ausübte.

Neben Appellen zur Gottesfurcht und Friedfertigkeit und Strafandrohungen im Falle eines Aufruhrs gegen das Reichsoberhaupt enthält die Goldene Bulle auch Bestimmungen über die Gold-, Silber- und anderen Bergewerke sowie über das einträgliche und eifersüchtig gehütete Privileg zur Prägung von Münzen. Die Goldene Bulle bestätigt dem König von Böhmen, also Karl IV. und seinen Nachfolgern im Prager Hradschin, sowie den übrigen Kurfürsten den Besitz an "allen Bergwerken auf Gold, Silber, Zinn, Kupfer, Eisen, Blei und Metalle anderer Art sowie auch auf Salz, die bereits gefunden worden sind oder gefunden werden. [...] Ferner verfügen Wir, dass dem jeweiligen König von Böhmen, Unserem Nachfolger, erlaubt ist, Gold- und Silbermünzen an jedem Ort seines Königreichs und aller ihm untertanen und zugehörigen Länder zu schlagen und schlagen zu lassen, wo es der König befielt und es ihm gefällt, nach jeder Weise und Form, die hierbei im Königreich Böhmen bisher beachtet worden ist". Der Abschnitt 10 der Goldenen Bulle verbriefte den Kurfürsten das Berg- und Münzregal, doch blieb es nicht nur auf das exklusive Wahlmännerkollegium beschränkt, sondern wurde auch von zahlreichen anderen Fürstlichkeiten und Herrschaften sowie von Städten wahrgenommen.

Die Goldene Bulle regelte als erstes die Wahl des römischen Königs, aber auch den Rang und die Sitzordnung der drei Erzbischöfe von Mainz, Trier und Köln sowie den Rang und die Sitzordnung der übrigen Kurfürsten. Es folgten, um weitere Kapitel zu nennen, die Rechte des Pfalzgrafen bei Rhein und des Herzogs von Sachsen bei Vakanz des Reichs, das heißt die Zeit vom Tod des Königs/Kaisers bis zur Wahl eines neuen. Behandelt werden in weiteren Kapiteln der Rang der Kurfürsten im Vergleich zu übrigen "gemeinen" Fürsten, die Nachfolge in den Kurfürstentümern, die Freiheiten des Königs von Böhmen und seiner Leute und der Kurfürsten.

Als Herzog Friedrich von Württemberg anno 1803 zum Kurfürsten erhoben wurde, hat man bei den Deklarationen ausdrücklich Bezug auf die Goldene Bulle von 1356 genommen. Friedrich von Württemberg hatte schon vorher ein Exemplar erworben. Wie vom Staatsarchiv in Stuttgart zu erfahren ist, hatten Vertreter des durch den Reichsdeputationshauptschluss von 1803 seiner Kurwürde beraubten Trierer Erzbischofs Clemens Wenzeslaus in Stuttgart erwähnt, das Kurtrierische Archiv besitze die Goldene Bulle, die für den neuen Kurfürsten interessant sein könnte. Da das Archiv an den Fürsten von Nassau-Weilburg übergegangen war, bemühte sich Friedrich um den Erwerb des Dokuments. Dessen Erwerb war für den Württemberger so wichtig, dass er das Exemplar in eine silberne Kassette legen ließ.
 Helmut Caspar