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31.10.2014

Praktische Münzeinteilung nach den Reichskreisen

Im Ergebnis der Revolutionskriege vor und nach 1800 gab es in Europa einschneidende territoriale Veränderungen.

Das siegreiche Frankreich dehnte seinen Landbesitz bis zum Rhein aus und nötigte die links des Flusses ansässigen geistlichen und weltlichen Fürsten des Heiligen römischen Reichs deutscher Nation zu erheblichen Gebietsabtretungen. Gleichzeitig verloren die meisten Reichsstädte ihre Souveränität und wurden anderen Territorien zugeschlagen. Im Frieden von Lunéville (1801) wurden die Annexionen Frankreich völkerrechtlich bestätigt. Doch die Fürsten räumten nicht kampflos das Feld. Es begann ein zähes Gerangel um Ländereien, Titel, Zolleinkünfte und Privilegien. Wer stark genug war, hielt sich östlich der neuen Grenze an kleinen und schwachen Territorien schadlos. Die am 25. Februar 1803 in Regensburg unterzeichnete Übereinkunft "Die Austheilung und endliche Bestimmung der Entschädigungen" ging als Reichsdeputationshauptschluss in die Geschichte ein. Der römisch-deutsche Kaiser Franz II. verlor durch die Flurbereinigung seinen Rückhalt bei den katholischen Fürsten und den Reichsstädten, konnte sich aber über erheblichen Landzuwachs in Süddeutschland freuen. Im Sommer 1806 legte er die Reichskrone nieder und nannte sich Kaiser Franz I. von Österreich.

In 89 Paragraphen wurden im Vertrag von 1803 sowohl die territorialen Neuerwerbungen als auch die Entschädigungszahlungen an die ehemaligen Besitzer geregelt. Die ihrer Macht, Territorien und Einkünfte beraubten Bischöfe, Äbte und Prälaten wurden mit lebenslangen Pensionen getröstet. Zahlungen an die Kirche, die bis heute vom Staat geleistet werden, resultieren zum großen Teil noch aus den damaligen Abmachungen. Gegen manche Widerstände mussten verschiedene Freie und Reichsstädte auf ihre seit Jahrhunderten verbrieften Rechte und Freiheiten verzichten. Darunter befand sich vielfach auch das Privileg, auf eigene Kosten und mit dem eigenen Wappen Münzen schlagen zu dürfen. Von dem Länderhandel profitierten vor allem Österreich, Preußen, Bayern, Württemberg, Hannover, Hessen und Sachsen. Die Kurfürsten von Bayern, Württemberg und Sachsen erlangten 1806 den Rang von Königen und waren damit Brandenburg-Preußen ebenbürtig, dessen Herrscher Friedrich I. sich schon 1701 zum König "in" Preußen gekrönt hatte. Baden, Hessen-Kassel, Württemberg und Salzburg wurden neue Kurfürstentümer, während gleichzeitig die geistlichen Kurfürstentümer Köln und Trier sowie die Kurpfalz erloschen. Auch sie verloren damit das seit langer Zeit ausgeübte Münzrecht.

Preußen erhielt das Fünffache seiner linksrheinischen Gebietsverluste. Hinzu kamen unter anderem die Bistümer Hildesheim und Paderborn, ferner das bisher zum Kurfürstentum Mainz gehörige Erfurt und weitere Besitzungen in Thüringen einschließlich des Eichsfeldes, nicht zu vergessen Teile des Bistums Münster sowie die Abteien Herford, Quedlinburg, Elten, Essen, Werden und Kappenberg, nicht zu vergessen die Reichsstädte Mühlhausen, Nordhausen und Goslar, die allesamt auf eine stattliche Münzgeschichte zurück blicken konnten. Der bei den betroffenen Ländern und Städten Gebietszuwachs kam Friedrich Wilhelm III. sehr gelegen, wuchsen dem König von Preußen doch viele neue Untertanen und gut entwickelte, ressourcenreiche Territorien zu, die ein wenig später bereits zur Bestreitung der Kosten des Krieges gegen Frankreich ausgebeutet wurden. Die "Beutepreußen" genannten Untertanen wurden nicht gefragt. Vor Ort war der Besitzerwechsel wenig willkommen, denn man musste sich auf wenig beliebte "preußische" Tugenden einstellen und sich in das Joch des friderizianischen Beamtentums begeben. Außerdem bekamen junge Männer den Drill der Armee zu spüren, und es blieben auch Konflikte auf religiösem Gebiet nicht aus. Drei Jahre später war die Herrlichkeit vorbei, als sich Preußen in einen Krieg mit Frankreich stützte - und ihn in der Schlacht von Jena und Auerstedt verlor. Im Oktober 1806 ritt Kaiser Napoleon I. durch das Brandenburger Tor nach Berlin ein und dekretierte im Schloss der Hohenzollern die Kontinentalsperre, mit der England wirtschaftlich ausgehungert werden sollte, was aber nicht gelang.

Von den 44 deutschen Reichsstädten konnten nur noch Augsburg, Bremen, Frankfurt am Main, Hamburg, Lübeck und Nürnberg ihren Status retten. Während Augsburg und Nürnberg bereits 1806 dem neu gegründeten Königreich Bayern zugeschlagen wurden, traten die anderen Kommunen als Freie und Reichsstädte 1815 dem neu gegründeten Deutschen Bund bei. Sie konnten weiter Münzen prägen und nahmen dieses Recht bis zum Ende ihrer Selbstständigkeit wahr. 1866 verlor Frankfurt am Main im Ergebnis des Deutschen Kriegs, den Preußen mit seinen Verbündeten gegen Österreich und dessen Verbündete führte, seinen Rang als Freie Stadt. Mit diesem Krieg war der Weg zur deutschen Einheit unter preußischer Führung frei. Nach der Gründung des Deutschen Reichs 1871 waren von der Vielzahl der Reichsstädte nur noch Bremen, Hamburg und Lübeck übrig geblieben, und sie nahmen das ihnen bereits im Mittelalter verliehene Münzrecht durch Prägung von Gold- und Silbergeld wahr.

Die Aufgabe des unseligen Partikularismus und das Ende kleiner Fürstentümer und Reichsstädte hatten positive Effekte, was etwa die Überwindung von Grenzen und Zollschranken, die Übernahme der französischen Rechtsprechung, den Verzicht auf mittelalterliche Feudalrechte und Belastungen, die Herstellung von Gewerbefreiheit und andere Errungenschaften betrifft. So ebnete der Reichsdeputationshauptschluss von 1803 den Weg zum Nationalstaat, der knapp 70 Jahre später als Ergebnis des deutsch-französischen Krieges am 18. Januar 1871 durch Ausrufung des preußischen Königs Wilhelm I. zum deutschen Kaiser errichtet wurde.
Unter Freien und Reichsstädten werden diejenigen Kommunen verstanden, die im Mittelalter gegenüber ihren geistlichen und weltlichen Herren kraft ihrer wirtschaftlichen Potenz und aus anderen Gründen ihre Selbstständigkeit erwerben konnten und nur dem Kaiser untertan und verpflichtet waren. Um 1500 wurden etwa 60 Reichsstädte gezählt, doch ihre Zahl nahm mit der Zeit immer mehr ab, etwa als das Elsass nach dem Dreißigjährigen Krieg an Frankreich fiel. Seit dem Westfälischen Frieden erhielten die Reichsstädte im Reichstag zu Regensburg als dritte Kurie volles Stimmrecht, das einzeln oder von mehreren Kommunen zusammen wahrgenommen wurde. Viel zu sagen hatten die Städte allerdings nicht im Reichstag, auch andere Territorien waren dort vertreten, ohne wirklich Einfluss auf die Geschicke und Geschichte nehmen zu können. Ihre formale Abhängigkeit von der kaiserlichen Zentralgewalt und der von ihr gewährte Schutz unterstrichen die Reichsstädte dadurch, dass sie auf ihren Münzen den Namen und manchmal auch das Porträt des jeweiligen Reichsoberhaupts anbrachten, ergänzt durch den ein- oder zweiköpfigen Reichsadler. Manchen Kommunen gelang es nicht oder erst sehr spät, den begehrten reichsstädtischen Status zu erlangen, übten aber dessen ungeachtet das Recht der Münzprägung aus, wie das Beispiel von Hamburg und Magdeburg lehrt.

Da den mittelalterlichen Städten an einem geordneten und gesicherten Münz- und Geldwesen gelegen war, versuchten sie, Einfluss auf die Münzpolitik der geistlichen und weltlichen Territorialherren in ihrer Region zu gewinnen. Da und dort haben Bischöfe und Domkapitel auf der einen und Städte auf der anderen Seite gemeinsam gemünzt. Von wirtschaftliche Schwierigkeiten geplagt, sahen sich der Kaiser und weitere Reichsfürsten genötigt, das einträgliche Münzrecht an die Städte zu verpfänden oder zu verkaufen, wofür sie zum Teil erhebliche Summen einstrichen. Kaiser Maximilian I., genannt der letzte Ritter, sah sich, in Italien wegen seiner Kriegsabenteuer in Italien in politische und wirtschaftliche Schwierigkeiten geraten, genötigt, einer Reichsreform zuzustimmen. Durch einen Beschluss des Augsburger Reichstags vom Jahr 1500 wurde bestimmt, dass das römisch-deutsche Reich in sechs Kreise unterteilt werden soll, und zwar in den fränkischen, bayerischen, schwäbischen, oberrheinischen, westfälischen und niedersächsischen Kreis. Zwölf Jahre später gesellten sich die habsburgischen und kurfürstlichen Territorien als oberrheinischer, burgundischer, kurrheinischer und obersächsischer Kreis hinzu.

Folgende Städte und Territorien gehörten, hier in einer Auswahl genannt, den Reichskreisen an:

  • 1. Österreichischer Kreis: Erzherzogtum Österreich und die habsburgischen Lande Steiermark, Kärnten, Krain, Tirol, Teile des Elsass und die Städte Breisach, Freiburg im Breisgau, Konstanz, Thann und weitere Territorien;
  • 2. Burgundischer Kreis: Herzogtümer Burgund und Luxemburg sowie die Stadt Besançon und weitere Territorien;
  • 3.Kurrheinischer Kreis: die Kurfürsten von Köln, Trier, Mainz und Pfalz, Herzogtum Westfalen sowie die Städte Bonn, Erfurt (zu Kur-Mainz gehörig), Gelnhausen, Frankenthal und Mainz;
  • 4. Fränkischer Kreis: Bistümer Bamberg und Würzburg, Markgrafschaften Ansbach und Bayreuth sowie die Städte Nürnberg und Rothenburg ob der Tauber und weitere Territorien;
  • 5. Schwäbischer Kreis: Bistümer Augsburg, Chur und Konstanz, Abteien Kempten, Sankt Gallen, Markgrafschaft Baden, Herzogtum Württemberg sowie die Städte Augsburg, Dinkelsbühl, Donauwörth, Esslingen, Isny, Kaufbeuren, Kempten, Lindau, Memmingen, Nördlingen, Ravensburg, Rottweil, Sankt Gallen, Schaffhausen, Schwäbisch Hall, Überlingen, Ulm und weitere Territorien;
  • 6. Bayerischer Kreis: Erzbischöfe und Bischöfe von Salzburg, Passau und Freising, Herzogtum/Kurfürstentum Bayern und die Städte Braunau, Ingolstadt und Regensburg;
  • 7. Oberrheinischer Kreis: Bischöfe von Basel, Besançon, Speyer, Straßburg und Worms, Herzogtum Lothringen, Landgrafschaft Hessen, Grafen von Solms und die Städte Basel, Frankfurt am Main, Hagenau, Landau, Weißenburg, Wetzlar, Worms und weitere Territorien;
  • 8. Niederländischer und Westfälischer Kreis: Bischöfe von Paderborn, Utrecht, Lüttich, Osnabrück, Münster, Herzogtümer Jülich, Cleve und Berg, Holstein und die Städte Aachen, Dortmund, Duisburg und weitere Territorien;
  • 9. Obersächsischer Kreis: Bischöfe von Meißen, Merseburg, Naumburg, Brandenburg und Havelberg, Kurfürstentümer Brandenburg und Sachsen, Fürsten von Anhalt, Grafen von Mansfeld, Stolberg und Hohenstein, die Städte Danzig, Elbing und Stralsund und weitere Territorien;
  • 10. Niedersächsischer Kreis: Erzbischöfe von Bremen und von Magdeburg, Bischöfe von Halberstadt, Hildesheim, Lübeck, Ratzeburg und Schleswig, Herzöge von Braunschweig, Mecklenburg und von Lauenburg sowie die Städte Goslar, Göttingen, Hamburg, Lübeck, Mühlhausen in Thüringen und weitere Territorien.

Außerhalb der Kreiseinteilung befanden sich die Schweiz mit ihren Bistümern, Städten und Herrschaften, aber auch Böhmen, Mähren und Schlesien, die Lausitz, das Herzogtum Preußen, nach dem sich der Hohenzollernstaat nannte, sowie Livland, Mömpelgard und die offiziell zum Reich gehörenden italienischen Landesteile.

Den kreisausschreibenden Fürsten oblag es, die Urteile des in Wetzlar ansässigen Reichskammergerichts und weitere Weisungen zu vollstrecken, was aber oft nicht gelang, weil sich die betroffenen Mächte dieser Instanz oft nicht unterwerfen wollten. Verschiedenen Fürsten war die Würde des Kreisobristen so wichtig, dass sie sich als deren Inhaber auf Münzen und Medaillen darstellen ließen und so ihre exklusive Stellung im Klub des deutschen Hochadels betonten. Die Kreiseinteilung ist für Münzsammler und -forscher deshalb interessant, weil die Kreisgremien mit Polizeigewalt ausgestattete Überwachungs- und Exekutivorgane besaßen. So kam etwa in der Zeit der Kipper und Wipper zu Beginn des Dreißigjährigen Kriegs (1618-1648) vor, dass auf kaiserliche Weisung besonders schamlos arbeitende Heckenmünzenstätten mit Waffengewalt gestürmt und zerstört wurden. Nach den Reichsmünzordnungen und Reichsabschieden von 1524, 1551 und 1559 hatten die von den Kreisen eingesetzten Wardeine die Aufgabe, Guthaltigkeit und Gewicht der in ihrem Zuständigkeitsbereich umlaufenden Münzen zu prüfen und schlechtes Geld zu verbieten. Wer gegen die in gedruckten Mandaten und in mündliche Verkündigungen verbreiteten Abmahnungen verstieß und minderwertige Münzen herstellte und verbreitete, hatte schwere Strafen an Leib und Leben zu gewärtigen. Allerdings wurden nicht immer die Betrüger dingfest gemacht und bestraft, weil hinter ihnen auf Münzgewinn erpichte Fürsten sowie städtische Magistrate standen und ihre Hände schützend über sie breiteten. Helmut Caspar